Vorgeplänkel

Nachdem ich ja meine Suzuki GS500E durch eine GSF600 ausgetauscht hatte war eigentlich alles gut. Nun wollte ich aber speziell für die winterliche Zeit eine „Schlampe“ kaufen. So wird ein Motorrad bezeichnet welches kaum Beachtung findet und dann benutzt wird wenn das „gute“ Motorrad geschont werden soll. So schaute ich also bei Kleinanzeigen nach einer aufbaubaren, sehr günstigen Maschine.

Eine Anzeige aus Berlin

Ein Bild, wenig Text. Eine Yamaha von 1990 mit Rest-TÜV von 30 Tagen, angemeldet und fahrbereit. So präsentierte sich die Anzeige mit Standort Berlin.

Per WhatsApp und ein gutes Telefonat später war für mich klar das diese Yamaha XJ600 -3KM von 1990 mit den 66PS mein werden sollte. Schon am Telefon handelten wir den Preis aus. 350.- Euro. Sie läuft, aber es stünden nun mehrere Wartungsarbeiten im Wert von knappen 1.700,- Euro an – so jedenfalls der Kostenvoranschlag einer Werkstatt.

Ist für mich und unserer kleinen Hobby-Werkstatt (nur Eigengebrauch) kein Problem. Teile bekommen wir meist schon mit Rabatten und die Arbeitsstunden bezahle ich mir ja nicht.

Das Kaufprozedere

An diesem Tag sollen es 36° werden. Also mit Motorrad-Sommerjacke, Sommerhandschuhen, Motorrad-Jeans und Helm, Rucksack mit etwas Werkzeug und Getränken am Bahnhof auf den ICE warten.

Obwohl ich das Deutschland-Ticket besitze, habe ich für 18.-Euro ein ICE-Ticket, 1 Klasse gekauft. Für diesen Preis fahre ich lieber in 90 Minuten nach Berlin anstatt 5,5 Stunden im Nahverkehr-Zug sitzen zu müssen.

09:03 ICE 696 – Ankunft 10:34 in Berlin. Der Weg zur Verkäuferin war mit der M10 ein klacks. Keine 10 Min später traf ich sie.

 

Yamaha XJ600 3KM – 1990, 66 PS.

Rechte Gesamtansicht der Yamaha XJ600 in Silber/Weiss
klick mich für eine Großansicht.
Blick von rechts vorn auf die Maschine.
schau mich an…^^
Blick auf die Armaturen der XJ
Reichhaltiges Instrumenten-Menü
Blick von hinten links auf die Seitenansicht.
auch die Reifen sind noch gut.

Da stand sie nun. Elke, meine Verkäuferin, hatte sie noch geputzt und extra eine neue Batterie gekauft und diese verbauen lassen. Tank war 3/4 voll.

Wow – damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.

Witzig an der Stelle ist das Thema Luftdruck. Klar, vor 35 Jahren wurde die Maschine konzipiert und mit den damaligen verfügbaren Reifen ausgetestet. Der Luftdruck damals unter 2,0. Heutige Reifen brauchen aber lt. Reifenhersteller Drücke über 2,1 bis zu 2,9 Bar. Und dann zählt halt die Angabe von vor 35 Jahren nicht mehr!

Egal, die Xj springt sofort an. Säuselt mit ihren vier Zylindern vor sich hin. Alles was funktionieren soll – Licht, Bremslicht, Blinker, Fernlicht und Hupe tun ihren Dienst. Kette sieht zwar sehr ungepflegt aus, ist aber keineswegs alt. Später aus den Unterlagen entnehme ich: 3 Jahre alt, 2.900 km bis heute gelaufen.

Gekauft. Einmal Vertrag unterzeichnet, Geld übergeben und mit weiteren geschenktem Zubehör im mit geschenkten Tankrucksack wieder runter an die Maschine.

Los geht`s – die Heimfahrt

Mittlerweile sind die 36° Celsius erreicht und die Sonne gibt ihr Bestes. Angetuddelt, alles verstaut – es geht los. Berlin hat aufgrund diverser Baustellen u.a auch der A100 ein mächtiges Verkehrsproblem, das nun auch zu meinem Problem werden soll.

Die Heimfahrt über die Autobahn (A2) wollte ich aufgrund fehlender schattigen Möglichkeiten umgehen. So wählte ich eine Strecke über die Landstraße. Denn hierbei kann ich alles Testen. Verhalten in Kurven, Beschleunigungen und Verzögerungen sowie das Ansprechverhalten.

Landstraße im kühlen Waldstück
Pause im schattigen Waldstück
nur wenige Verkehr auf der Landstraße
.. im Wald ist es deutlich kühler.

Und jederzeit kann ich anhalten zum Trinken – das geht auf der Autobahn rein technisch zwar auch, aber dann nur auf dem Standstreifen und meist in praller Sonne und unter Gefahr des schnellen Verkehrs.

 

 

 

Reisedauer

7 km im Bus, 230 km im Zug, 2 km in der Straßenbahn, ca. gesamt 1,2 km gelaufen und 290 km auf der Maschine. 613 Minuten, also 10 Stunden und 21 Min. für den Kauf und deren Abholung unterwegs gewesen. 4 Kaffee, 4,5 Ltr. kalte Getränke, ein Eis, zwei Wiener mit Brötchen und ein belegtes Brötchen „begleiteten“ mich in dieser Zeit.
Um 11:40 startete ich in Berlin mit meinem Neuerwerb und schubste die XJ durch den Stopp and Go-Verkehr. Furchtbar. Bei jedem Stopp stand ich in direkter Sonne und das merkte ich deutlich am Hosenbein. Daher machte ich die erste größere Pause in einer Berliner Nebenstraße im Schatten von 12:38 bis 13:22. Denn jetzt war der Hochpunkt wohl erreicht. Hier machte ich auch für Instagram und liebe WhatsApp-Begleiter die ersten Fotos und ein „Bike-Porn“ der Yamaha Xj600 3KM.

Nach dem Start ging es nun etwas zügiger durch das Randgebiet Berlins. 44 km später ein Tank und Trinkstopp. 100 km später mitten im Wald angehalten. Wenig Verkehr auf dieser Landstraße. Das machte die Pause im deutlich kühleren Waldstück zu ein Genuss.

Google.Maps, Kartenausschnitt Berlin - Braunschweig
Autobahn 231 km ~ versus ~Landstraße 290 km (nur 59 km mehr, dafür schöner!

Die John-Do-Motorradjeans ist in der Kombi mit der Büse-Sommerjacke beim fahren echt angenehm. Es kommt genug kühlender Fahrwind durch und schenkt Sicherheit (Tripple-A). Und mit genügend Pausen war die Fahrt für mich angenehm, trotz der recht hohen Temperatur.

Erstes Fazit der Maschine

Dafür, dass die Maschine 35 Jahre auf dem Buckel hat und u.a mehrere Jahre Stillstand erleben müssen, dann wieder reaktiviert wurde und nach einem erlittenen erlebten Unfall. Mit diesem Lebenslauf steht „die Dame“ aber noch gut da. Was für den TÜV erstmal wichtig sein wird sind die süffenden Gabelsimmeringe, eine ausgiebige Kettenpflege sowie neue Bremsbeläge samt frischen DOT4. Die Bremsscheiben haben leichte Riefen ohne Rand und sind mit 4,8 mm Scheibendicke Topfit. Der Vergaser bekommt eine kleine Revision und wird neu eingestellt (allein das Gasspiel hat furchtbar viel „Leerlauf“). Frisches Öl mit Filter, Luftfilter, neue Zündkerzen bekommt sie auch. – Erste Teilekosten bis zum TÜV ca. 170.- Euro.

Kaufpreis: 350,-
Abholung/Transport: 65,-
Erste Teile: ~ 170,-
Ummeldung: ~ 31,-
TÜV: ~ 90,-
Puzten (Material): 15,-

Summe: 631.- Euro

Die aufgelisteten Kosten sind nur ein Anhaltspunkt. Nach dem ersten intensiven Waschen, Reinigen / putzen kann ich sicherlich das eine oder andere erkennen, was dann als Reparatur dazukommt.

Mein Fazit:

Wenn der Lack erst einmal aufbereitet ist und alles wieder i.O ist, ist es wirklich fraglich ob diese Maschine eine „Winterschlampe“ wird oder ein Motorrad für mich besuchende Freunde aus dem Süden Deutschlands.

Sie heißt nun Bertha.

Als meine Frau mich mit der Maschine begrüßte sagte sie – sie ist aus Berlin, sie ist da – .. Ber / da .. = Bertha. ^^ 

6 Kommentare

    1. Ah Danny (ehem.Besitzer der Schneewittchen).
      Danke. Ja… aber ans Herz gewachsen.. ^^ Nee – derzeit ist meine Lieblingsmaschine die Rosinante (Suzuki Bandit)

    1. Ist ja eigentlich nicht als Projekt gedacht. Sondern eigentlich als Wintermaschine – oder für Dich, wenn Du wieder mal ohne Motorrad hochkommst. ^^

    1. Schön? Nunja, schön alt, eine klassische Form. Morgen bekommt sie DAS alte Kennzeichen, welches ihr ja wieder zurück gebracht habt.
      in den nächsten zehn Tagen sollte sie TÜV-konform fertig sein.
      Lg

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